Mittwoch, 21. September 2011

"Washing is cheating", 4 Tage im Outback

Ich bin wieder da! Dies wird wahrscheinlich mein bisher längster Blogeintrag und ich habe schon etwas die Befürchtung, dass er meinen Erlebnissen im Outback nicht wirklich gerecht werden wird, aber ich werde zumindest mein Bestes versuchen. Ich schmeiße ungern mit Superlativen um mich, aber vorab muss ich sagen, dass sich die vier Tage im Roten Zentrum wirklich als eines meiner prägendsten (Reise‑)Erlebnisse herausstellen sollten.
Am Sonntag ging es also los – wir (ich und eine andere Deutsche namens Wiebke) flogen nach Alice Springs. Der Flug dauerte 3,5 Stunden. Wenn man einmal Berlin – Sydney hinter sich hat, kommt einem das mittlerweile sehr kurz vor. Als wir aus dem Flugzeug stiegen, wurden wir mit einer drückenden Hitze von 34°C konfrontiert! Außerdem mussten wir unsere Uhren um eine halbe Stunde nach vorn stellen. Witzig – ich wusste gar nicht, dass es überhaupt so eine Zeitzone gibt. Mit einem Shuttlebus fuhren wir zu unserem Hostel „Toddy’s“, wo wir die Nacht in einem 6er-Zimmer verbringen sollten. Dort wurden erst einmal die langen Jeans gegen Shorts ausgetauscht und dann ging es los, die Stadt zu erkunden. 


Alice Springs ist, man kann es nicht anders sagen, ein kleines Wüstenkaff. Es war Sonntag, fast alle Läden waren geschlossen und innerhalb von 2 Stunden hatten wir alle „Attraktionen“ der Stadt besichtigt. 


Alice Springs hat einen wahnsinnigen Durchlauf von Touristen, weil fast sämtliche Outback-Touren dort beginnen, aber sonst hat es nicht wirklich viel zu bieten. Machte ja auch nichts, weil wir nur einen halben Tag dort verbrachten! In Sydney sieht man ab und zu mal einen Aborigine, z.B. an den Touristenattraktionen, wo sie Musik machen. Das Stadtbild von Alice Springs dagegen wird von ihnen dominiert. Leider bietet sich dabei meistens ein trauriges Bild: sie sitzen bzw. liegen überall auf den Wiesenflächen herum, trinken Alkohol, wirken teilweise aggressiv und sie betteln die Touristen an. Ich war zunächst etwas geschockt und auch sehr ängstlich, als wir im Dunklen wieder zu unserem Hostel nach Hause gingen. Dennoch sind die Aborigines in Alice Springs natürlich nicht repräsentativ für die gesamte Bevölkerungsgruppe!
Ich habe einen von ihnen (mehr oder weniger heimlich) fotografiert und jetzt sehr lange darüber nachgedacht, ob ich das Foto posten sollte. Das Ganze ist ein sehr heikles Thema, wie ich erst später erfahren sollte: nachdem ein Aborigine stirbt, dürfen keine Bilder mehr von ihm existieren und sein Name darf auch nicht mehr genannt werden, denn nach ihrem Glauben wird auf diese Art und Weise ein Stück der Seele des Verstorbenen weggenommen. Sie sind sehr empfindlich, was Fotos angeht, deshalb werde ich das Bild jetzt einfach nicht posten, aber euch gern auf Nachfrage mal persönlich zeigen. (Man kann ja selbst glauben, was man will, aber den Respekt ihren Ansichten gegenüber muss man einfach wahren.)
Die Aborigines haben keine gute Reputation bei vielen Leuten, aber man darf natürlich niemals vergessen, wer sie überhaupt in diese Situation gebracht hat ... die ganze Situation ist sehr kompliziert, v.a. in den Städten. Aber wie auch immer, abends haben wir dann noch den Sonnenuntergang am Anzac Hill (ein Hügel mit einem Kriegs-Denkmal) betrachtet. Schön.


Die Nacht im "Toddy's" war ok, wenn auch sehr kurz. Zu oft möchte ich aber auch nicht mehr im Hostel schlafen.O_o... Um 6 Uhr wurden wir am nächsten Morgen zur The Rock Tour abgeholt! Unser Tour Guide Mark verlas die Namen, doch meiner war nicht mit dabei - nur Wiebkes! Es stellte sich heraus, dass ich einfach in einem anderen Bus mitfahren sollte. Zum Glück nahm er mich dann aber doch mit, was sich als Glücksfall herausstellen sollte, weil wir in der restlichen Zeit nicht einmal auf die andere Gruppe treffen sollten und Mark sich als legendärer Charakter erweisen sollte.
Wir waren ca. 15 Leute, eine lustige Gruppe, die in den nächsten 3 Tagen 1.500 km in einem kleinen Bus abfahren würden! Viel Fahrerei, viel Zeit -gleich zu Beginn sollten wir das Eis brechen. Wir mussten uns vorne zu Mark setzen und dem gesamten Bus erzählen, wie wir heißen, was wir machen, welche Superkräfte wir gern hätten, mit wem unser erster und letzter Kuss war, welches Tier wir gern wären usw. usf. Lustig!
Unser erstes Ziel, nach mehr als 6 Stunden, war dann der King's Canyon. Dort wanderten wir 3 Stunden lang durch die sengende Hitze.


Ich sehe einfach nur wie ein blöder Tourist aus, haha. Den Hut hatte ich mir bei Paddy's Market für $4 gekauft. Das sieht man jetzt leider nicht - oben drauf ist ein Känguru abgebildet und darüber steht "Australia". Wenigstens ist er gut gegen die Sonne ...


Mark erklärt uns die Pflanzen der Umgebung und wofür die Aborigines sie verwenden. (Er weiß alles!)


Bald erreichten wir den "Garden of Eden" - ein Wasserloch, das immer feucht bleibt und eine grüne Oase in dieser Gegend darstellt.

Toller Blick über die Schluchten mit Felswänden aus rotem und weißen Sandstein (tolles Echo):

Das war anstrengend. Puh. Danach ging es los in Richtung Bush Camp. Vorher wurde nochmal getankt.


Mark mit seinem alten Freund "Charlie", einem Kakadu. An dieser Stelle ein paar Worte über unseren Tourguide: Mark ist ursprünglich Schotte und lebte dort drei Jahre lang in einem Zelt im Wald, er schläft max. 4 Stunden pro Nacht, hat sich seine Haare das letzte mal im September 2010 gewaschen (was man nicht unbedingt denken würde) und mit 26 wusste er zwei Wochen lang nicht mehr wer er ist (+ hatte sich sämtliche Knochen gebrochen) wegen eines schlimmen Mountainbike-Unfalls. Außerdem erledigte er auf der Tour alles mit seinem linken Arm, weil der rechte vermutlich gebrochen war (das war kurz vorher passiert, aber er wollte die Tour deswegen nicht absagen). Er weiß unheimlich viel über die Kultur der Aborigines und man merkt, dass das kein schnöde auswendig gelerntes Wissen ist. Wir haben ständig über sein Alter philosophiert - das ging von Ende 20 bis 40 (letzteres war meine Schätzung), doch letztendlich sollte sich herausstellen, dass er wirklich erst 31 ist. Und so lebenserfahren!

Während der Fahrt sahen wir Kängurus, ein Kamel und sogar wilde Pferde über die Straße laufen ...
Und schließlich fuhren wir zu Marks "Zuhause" - dem Bush Camp. Abenteuerlich! Mittlerweile war es schon dunkel geworden und wir rasten mitten ins Nirgendwo! Es war stockdunkel und ohne Taschenlampe war man verloren. Es gab kein Wasser, keine Toiletten, kein gar nichts - außer einem riesigen, funkelnden Sternenzelt über uns! Wir machten ein Lagerfeuer (ach ja, ein paar Stunden vorher mussten wir noch Holz suchen, ich war fix und fertig) und kochten uns ein Chili con carne. Nach dem Essen rollten wir unsere Swags (grobe Thermo-Schlafsäcke) aus und legten uns in einem Kreis um das Lagerfeuer. Ich hatte ja Angst, nicht gut schlafen zu können, aber nach ein paar Momenten, in denen ich die wahnsinnig vielen Sterne betrachtete, war ich schon weg. Morgens um 5.30 mussten wir schon wieder aufstehen! Chronischer Schlafmangel sollte mich über die nächsten Tage begleiten. Aber Sonnenaufgänge sind ja auch nicht das schlechteste.



Unser Camp (jetzt wusste man erstmal, wie es hier überhaupt richtig aussieht), der Bus wird verladen:

Mit waschen und Makeup war natürlich nichts. Und dann nur 5 Stunden Schlaf. Hier der ultimative Beweis dafür, wie uneitel ich bin! :P (Mhhh, wieso poste ich das überhaupt?! Egal!)


Wir fuhren nach dem Frühstück jedoch relativ schnell zu einem Campingplatz, wo wir uns wieder etwas herrichten konnten. Und dann ging es Richtung Uluru ... was für ein Gefühl, als der große Stein endlich am Horizont zu sehen war! Zunächst ging es jedoch zu den Olgas - die Olgas sind 36 "Köpfe", bzw. Berge im Katja Tjuta Nationalpark. Was für eine Landschaft! Aber auch was für eine Kletterei, wir sind wieder sooooo viel gewandert ... (zum Glück hatte ich gute Schuhe).







 Danach fuhren wir ins Cultural Centre der Aborigines. Das war sehr interessant, aber leider durfte man dort keine Fotos machen (aus den oben erläuterten Gründen). U.a. liegt dort ein Sorry-Book aus, in dem Leute sich entschuldigen, weil sie den Uluru bestiegen haben. (Dazu gleich mehr.) Eine Amerikanerin hat sogar ihre Wanderschuhe dorthin zurückgeschickt, weil sie sich verflucht gefühlt hat.

So, aber jetzt ... ich weiß ihr habt alle drauf gewartet, ging es zum ULURU.
Plötzlich waren wir dann da. Da war dieser große rote Stein vor uns und ich dachte "Aha, das ist er also." War schon beeindruckend, aber richtig interessant wurde es eigentlich erst, als wir mehr über die Zusammenhänge mit den Traumgeschichten der Aborigines erfuhren! Zunächst zum Thema klettern:


Wie absurd ist das bitte? Im Vordergrund eines der Schilder, die überall zu finden sind, im Hintergrund klettern Touristen den Stein herauf. Die Aborigines (speziell das Volk der Anangu, die dort leben) möchten aus diversen Gründen nicht, dass der Uluru bestiegen wird. Zum einen ist er ihnen natürlich heilig und sollte eigentlich nur im Rahmen des inma bestiegen werden - das ist der rituelle Prozess, wenn ein Junge zum Mann wird. Zum anderen, und das ist ihnen am wichtigsten, haben sie die Befürchtung, dass Menschen beim Aufstieg sterben könnten. Bzw. sind ja auch schon 35 Menschen dabei ums Leben gekommen! Mark hat uns das folgendermaßen erklärt: stellt euch vor, ich bin bei euch zum Abendessen zu Besuch und dann fällt mir das Bein ab. Würdet ihr euch da nicht auch schlecht fühlen? ;) Abgesehen davon verrichten die Leute ihre diversen Geschäfte, wenn sie einmal oben sind - wenn es regnet wird das Ganze dann runtergespült und verschmutzt die umliegenden Wasserlöcher, was sich wieder auf die Tierwelt auswirkt ... und so weiter. Dennoch wollen die Anangu nicht, dass der Aufstieg verboten wird. Sie sind der Meinung, dass die Menschen eine freie Entscheidung treffen sollten, ob sie es tun oder nicht. Nachdem ich all das erfahren habe, habe ich wirklich Abscheu gegenüber den Menschen verspürt, die da in Massen hochkletterten! Die steigen aus ihren Autos und Bussen, laufen an den Schildern vorbei, denken sich "Ist ja nicht meine Kultur" und dann geht's los.




"Listen! If you get hurt, or die, your mother, father and family will really cry and we will be really sad too. So think about that and stay on the ground."
(Hör zu! Wenn du verletzt wirst, oder stirbst, werden deine Mutter, dein Vater und deine Familie weinen und auch wir werden sehr traurig sein. Also denke darüber nach und bleibe auf dem Boden.)

Unten war's nämlich auch schön :) Abgesehen davon hätte ich gar keine Lust, bei so einer Hitze mich da hoch zu schleppen. Mark erklärte uns alle möglichen Details, denn jede Spalte, jede ungewöhnliche Form im Stein hat irgendeine Geschichte der Aborigines zu erzählen bzw. steht für die Tiergestalten, die sie als ihre Ahnen ansehen. Es gab Höhlen mit Felsmalereien, eine kleine Küche und zahlreiche Höhlen, für die Alten, für die Frauen, für die Jungen ... Außerdem gab es die so genannten "sacred sites", das sind Orte, an denen man nicht fotografieren darf. Jedes Foto kann theoretisch mit $5000 bestraft werden. Der Grund: das sind heilige Orte, die z.B. nur den Frauen angedacht waren und wenn ein Mann diesen Ort besucht bzw. ein Bild davon sieht, muss er bestraft werden bzw. sich einem Reinigungsritual unterziehen. Es sollten also möglichst keine Bilder von diesen Orten irgendwo öffentlich gemacht werden und in Zeiten des Internets ist das schwierig.

Später ging es zum Sonnenuntergang und da entstanden dann die klassischen Touri-Fotos.





Mark hatte uns derweil ein leckeres Abendessen gekocht ... yum.


Dann ging es zurück zum Campground, wo wir das erste mal seit einiger Zeit duschen konnten! (Waschen ist Betrug!). Wieder schliefen wir unter den Sternen, wenn auch diesmal nicht ganz in der Einöde. Vorher erzählte Mark uns am Lagerfeuer noch ein paar Traumgeschichten, während wir Marshmallows rösteten.



 (Das ganz vorne ist uebrigens Wiebke.)
Das interessante ist, dass uns viele Stories gar nicht erzählt werden dürfen (das wäre, wie wenn man einem Grundschüler Schulstoff aus dem Master-Studium geben würde). Man muss sich das erarbeiten und er hat in der Vergangenheit nach und nach das Vertrauen von einigen Anangu erworben. Jedoch dürfe er auch uns nur einige ihrer Geschichten weitererzählen! Man kann es albern finden, aber ich finde es völlig in Ordnung.
Am nächsten Morgen ging es wieder um 5.30 raus, wir hatten eine Viertelstunde Zeit, bis es zum Sonnenaufgang losging! Hier nochmal ein Uluru-Foto, davon hat man doch nie genug :P


Ich mag das!
Danach war mein Akku tot. Keine Fotos mehr. Aber wir wanderten noch einmal um den ganzen Uluru herum, naja soviel spannendes gab es da für euch sowieso nicht mehr zu sehen :)

Schließlich fuhren wir zum Ayers Rock-Airport. Die Verabschiedung war zwar etwas traurig, weil wir so tolle drei Tage zusammen verbracht hatten, aber trotzdem freute ich mich auch mal wieder, bis 11 Uhr schlafen zu können und das in meinem gemütlichen Bett.
Das habe ich dann heute auch gemacht! Nun hat Sydney mich wieder und ich muss heute eigentlich noch wahnsinnig viel machen. Vor allem was zu essen kaufen! Hab so Hunger! :)

Das hat jetzt ganz schön lange gedauert, ich hoffe ich konnte euch einen kleinen aber guten Eindruck verschaffen von meinem Abenteuer im Busch!

2 Kommentare:

  1. Einfach nur toll deine Geschichte :) Kann erahnen, was für ein unglaubliches Erlebnis es für dich gewesen sein muss. Liebe Grüße und danke, dass du uns an deinen Erfahrungen teilhaben lässt ;)

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  2. Danke fürs Feedback :))) Liebe Grüße ebenfalls!

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